Von Herzen Geschrieben

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Am Ende unserer Kräfte (hallo Corona), der Mangel an Freude und das Fehlen von Geruch und Geschmack

 

Lass das Krachen und Ruckeln in deinem Leben ein Zeichen

dafür sein, dass du bereit für das nächste Level bist.

 

Über alte schlechte Gewohnheiten

Nun ja, während ich die letzten Tage also vor allem Netflix und chill betrieben habe – was im Übrigen mal wieder unglaublich gut getan hat...einfach mal so zehn Stunden innerhalb von 24 Stunden vorm Fernseher zu hängen. In meinen Worten liegt keine Ironie, es hat wirklich gut getan. Vor vielen Jahren waren Serienmarathons und sehr viel Süßes mein Mechanismus für Verdrängung, Stress, Unwohlsein. Ich habe es in so einem Ausmaß betrieben, dass es definitiv nicht mehr gut für mich war. Das ist jedoch eine Geschichte für einen anderen Tag. Mit den Jahren und dem inneren Wachstum habe ich es geschafft diese Angewohnheit aufzugeben, sie wird nicht mehr gebraucht. Doch aus Angst wieder „rückfällig“ zu werden, habe ich mir wohl gar nicht mehr erlaubt mal einen Serienmarathon zu machen. Tja, das letzte Wochenende schon und es hat verdammt gut getan (ich kann die Serien Ginny & Georgia auf Netflix nur empfehlen ;)).

Ich würde sagen, dass ich diesen ganzen Lockdown ziemlich gut durchgehalten habe. Wirklich. Wieder, das ist keine Ironie. Ich habe viele Aspekte davon genossen und eine große Dankbarkeit für die viele Zeit zu Hause gewonnen  – wahrscheinlich weil ich an sich eher ein introvertierter Mensch bin. Wohl auch weil ich in der unglaublich wundervollen Situation bin diese ganze Phase nicht alleine durchzumachen, sondern meinen Herzensmann an meiner Seite habe, also wirklich physisch gesehen bin ich nicht alleine. Wie ich immer wieder in Gesprächen mit anderen merke, ist das wahrlich ein Geschenk.  

Während ich das also alles in allem gut gemeistert habe, bemerkte ich die letzte Zeit, dass es langsam aber allmählich auch mich erschöpft. Ich habe angefangen mich nach sehr sehr vielen Dingen zu sehnen, die ich mir jetzt gerade so nicht erfüllen kann. Im Café sitzen, schreiben und Menschen beobachten (ich liebe es!). Meine Freunde mal nicht nur auf einen Spaziergang zu treffen. Meine Mama besuchen und ihr wundervolles Essen zu genießen ohne es vorher nochmal aufzuwärmen. Doch da ist noch etwas ganz anderes...schmecken, riechen...wie sehr ich das vermisse!

Der Verlust von Geruch und Geschmack – hallo Corona Infektion

Über vier Monate ist es jetzt her, dass ich an Heilig Abend den Braten in den Ofen schob und dachte wie wundervoll es riechen würde und wenige Stunden später die ersten Bissen nahm und dachte, dass irgendwie alles gleich schmeckte. Ich habe bislang immer nur am Rande davon berichtet und auch in meinem Leben „offline“ spreche ich nur wenig darüber. Immer nur am Rande. Weil ich nicht meckern und jammern will. Weil ich damit nicht nerven will. Und irgendwie auch weil ich das Gefühl habe, dass es ja doch niemand versteht was es heißt nicht schmecken und riechen zu können. Es sei denn natürlich jemand erlebt es selbst. Es ist beschissen. Und es nagt mittlerweile immer mehr an mir.

Irgendwann am Wochenende kam mir der Gedanke, dass mir nichts im Leben gerade so richtig Freude bringt. Das klingt so blöd, doch irgendwie glaube ich, dass du mich verstehst. Ich habe das starke Gefühl, dass ich nicht die einzige bin. Alles ist irgendwie mit einem Schleier verhüllt. Ich glaube wir alle kommen langsam ans Ende unserer Kräfte. Verständlich.

Aus diesen Gedanken heraus ist die Liste in meinem Tagebuch entstanden, die du auf dem Foto siehst. Denn Schreiben und Listen helfen mir, eigentlich immer. Ich glaube mir wurde erst dadurch bewusst, wie sehr mir die ganze Situation zu schaffen macht. Also dass sich unser ganzes Leben zu Hause oder an der Arbeit abspielt. Aber eben auch wie sehr ich darunter leide nicht riechen und schmecken zu können. Ich liebe ein gutes Essen. Wirklich. Von Herzen so gerne. Oder eine heiße Tasse Kaffee. Ja, die Tasse Kaffee ist normalerweise eine große Quelle an Freude in meinem Leben. Doch seit vier Monaten ist sie das nicht mehr. Oder der leckerer Kuchen meiner Mama. Ja einerseits wundervoll und andererseits jedes Mal eine unglaubliche Schwere, weil ich ihn abgesehen von süß nicht schmecken kann.

Bin ich stark?

 Eine langjährige Freundin hat mir gestern in einer Sprachnachricht gesagt „Ich bin mir sicher, dass du es wie immer ganz stark meistern wirst“. Stark. Bin ich das? Wirke ich nach Außen wirklich so? Was bedeutet überhaupt Stärke? Mache ich nicht etwas zu viel mit mir selber aus und zeige nach Außen nicht wie schwer es mir fällt. Also so wie mit dem fehlenden Geruch und Geschmack. Ich leide darunter, doch ich weiß nicht ob das mein Umfeld so sagen würde. Ich verstehe wohl, dass ich stark wirke und irgendwie bin ich das ja auch. Doch ich leide. Leide unter dieser Situation und mir war es wichtig, dass auch mal auszusprechen. Weil ich keine Lust mehr darauf habe, dass alles immer so Friede, Freude, Eierkuchen wirkt. Vor allem in der online Welt.

Weißt du was ich eben in mein Tagebuch geschrieben habe? Dass ich Angst davor habe, dass ich zu „schwer“ wirke, wenn ich dir aus den tiefsten meines Herzen schreibe...was dann nun mal nicht nur rosarot und Sonnenschein bedeutet. Stimmt das? Wirkt ein solcher Text wie jetzt wirklich schwer auf dich? Ich weiß nicht, aber irgendwie sehne ich mich nach genau solchen Texten. Die alle Facetten des Lebens zeigen und nicht mit Filtern beleuchtet sind. Weil das Leben nun mal so ist.

Jeder von uns hat immer etwas auf dem Herzen

Am Samstagmorgen konnte ich nicht mehr schlafen (eine weitere schlechte Schlafnacht) und beschloss direkt los und raus zu gehen. Kaffee also in die Thermoskanne (auch wenn er „nicht schmeckt“, loslassen kann ich ihn nicht. Das käme mir wie eine Bestrafung vor und bestraft bin ich genug. Finde ich.) und los. Ich hatte Glück. Eine ganze Weile kam die Sonne raus und so saß ich lange Zeit auf einer Parkbank. Trank meinen Kaffee und sah den Menschen zu oder hielt mein Gesicht mit geschlossenen Augen der Sonne entgegen. Ich lauschte den Menschen, die vertieft in ihre Gespräche an mir vorbei zogen. Und weißt du was? Sie alle hatten etwas auf dem Herzen. Die Beziehung. Die Wohnung. Die Arbeit. Der Urlaub. Die Freundschaft. In jedem einzelnen Gesprächsfetzen, die ich wahrnahm war ein „schweres“ Thema drin. Weil es uns nun mal allen so geht. Irgendetwas ist immer los. Nur wird das irgendwie online oft so tot geschwiegen. Nicht gezeigt bzw. nur sehr selten. Ich will mich da auch gar nicht ausklammern. Auch mir fällt es immer wieder schwer. Weil ich, wie ich ja eben schrieb, einfach auch Angst habe.

Doch ich will mich nicht mehr von ihr abhalten lassen. Ich will mehr Momente wie diesen hier. Ohne jeden Filter. Einfach nur ich. Meine Worte. So wie sie in meinem Tagebuch stehen. Warum auch nicht? Denn wo die Angst besonders pocht, ist immer der Weg in den wir uns entwickeln sollen

Da wo die Angst besonders pocht

weist uns immer die Richtung in die wir uns entwickeln sollen.

 

Vielleicht ist gerade das die Veränderung von der ich am Anfang sprach. Wenn dem so ist, ich bin bereit. Du auch?

 

Von Herzen geschrieben,

Ronja