Von Herzen Geschrieben

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Ich muss - Über den Druck und Stress, den diese Worte erzeugen können

Ich muss - Druck und Stress durch acht kleine Buchstaben

 Vor Kurzem teilte ich ja bereits mit dir, dass nicht jeder unserer Gedanken der Wahrheit entspricht, zeigte dir wie du deine Gedanken überprüfen kannst und ich habe dir auch erzählt, dass mir bewusst wurde wie sehr ich in den letzten Monaten in meinem Kopf gelebt habe. Das hat Druck erzeugt, und Stress. Sehr viel Druck, sehr viel Stress. Wenngleich diese vielen Tage zu Hause und die Angst und Verunsicherung, dieses Jahr mit sich brachten, eine schier unendliche Herausforderung waren und nach wie vor sind, so komme ich nicht umhin auch das Gute in ihnen zu sehen. Das Geschenk, das ihnen innen wohnte. Für mich war es das: Ruhe. Es gibt mir die Chance wieder zur Ruhe zu finden (was mir an einigen Tagen wunderbar gelingt, während ich an anderen kläglich scheitere). In dieser Ruhe fand ich so einiges für mich heraus, u.a. wie viel Stress von meinen Gedanken rührte. Tja, und dann war da noch dieses eine Wort. Ein kleines teuflisches Wort, bzw. zwei Worte zusammen:

Ich muss

Ich muss ... die Wohnung putzen.

Ich muss ... schreiben.

Ich muss ... eine Lösung finden.

Ich muss ... mir Sorgen machen.

Ich muss ... auf diese oder die andere Weise auf die Situation reagieren.

Ich muss ... das meiste aus meiner Zeit holen.

Ich muss. Ich muss. Ich muss.

Eine unendlich lange Liste an Dingen, die ich tun muss.

 Ich fand die beste Antwort darauf. Wenngleich ihre Worte auch harscher sind als ich normalerweise spreche. Ich fand die Antwort in einem Café (du erinnerst dich vielleicht an sie. Cafés in denen man herrlich leckeren, nicht selbstgebrauten, Kaffee trinken kann. Kuchen essen kann, den man nicht selber gebacken hat. In denen man die Gespräche von anderen belauschen kann und nicht den Fernseher anschalten muss um Hintergrundgeräusche zu haben. Ach ja, Cafés, wie sehr ich sie vermisse...). In ebenso einem wundervollen Ort befand ich mich als ich die Postkarte fand (sie hängt immer noch in meiner Küche). Weiße Schrift auf schwarzem Untergrund und diese herrlichen Worte:

Und genau in dieser Aussage liegt unsere Freiheit. Einen Dreck müssen wir. Oder wie es einer meiner Lieblingsseriencharakter Sheldon sagt (jahrelang bin ich um diese Sendung Big Bang Theory rum, doch dann holte sie mich im Lockdown ein):

Genau so ist es. Du musst atmen, essen, ausscheiden. Alles andere ist Bonus.

Ich weiß, du denkst, dass es da noch so viel mehr gibt was du tun musst: arbeiten, putzen, Freunde treffen, für deine Familie da sein und und und. Ich stimme dir zu in dem Punkt, dass es schön wäre, erstrebenswert diese Dinge zu tun und doch bleibe ich dabei, dass du es nicht musst. Überprüfe einmal selbst:

 Schreibe dir alle Dinge auf, die du tun „musst“ (mir hilft es immer zu schreiben, weil ich eine Schreiberin bin, aber du kannst die Sachen natürlich auch durchdenken. Allerdings hat schreiben für mich oft mehr Hand und Fuß).

Beobachte wie du dich dabei fühlst. Was für ein Gefühl nimmst du in deine Körper war.

Jetzt formuliere jedes „ich muss“ zu einem „ich möchte“. Beobachte wie du dich jetzt fühlst. Spürst du einen Unterschied?

Von “ich muss“ zu “ich möchte“

Ich bin schon seit ein paar Tagen diesen zwei teuflischen Wörtern auf der Spur. Heute Morgen passierte dann etwas magisches.

Etwas grummlig wachte ich an meinem zweiten Tag in Quarantäne auf. Grummelig und dezent schlecht gelaunt. Trotzdem fand ich meinen Weg zu meinem Lieblingssessel mit meinem Tagebuch und einer starken Tasse Kaffee. Ich schrieb und schrieb und wurde plötzlich unterbrochen. Als ich meine Aufmerksamkeit wieder meinem Tagebuch zuwandt stand es da blau auf weiß: ich muss heute wieder zu mir finden. Ich muss...da kam mir der Gedanke: Was für „ich muss“-Aussagen laufen denn da in mir ab? Ich schrieb sie auf:

  • Ich muss zu mir finden.

  • Ich muss meinen Schreibtisch aufräumen.

  • Ich muss an meinem Buch schreiben.

  • Ich muss für den Blog recherchieren.

  • Ich muss, ich muss, ich muss.

 Schwere machte sich in mir breit. Ich nahm einen unglaublichen Druck auf meinen Solarplexus wahr. So viel ich muss... und überhaupt keine Lust etwas davon zu tun. Ich entschied mich die Aussagen umzuformulieren: ich möchte heute schrieben. Ich möchte meinen Schreibtisch aufräumen. Ich möchte für den Blog recherchieren.
Etwas magisches passierte: der Druck löste sich auf. Die schlechte Laune verschwand. Lebenslust machte sich breit. Und allen voran: die Lust all diese Dinge zu tun...weil ich sie tatsächlich tun wollte.

Es ist unglaublich was diese kleine Veränderung für Konsequenzen hervorbringen kann. In dem Fall heute morgen nur das Beste. Doch es gibt auch andere Momente: Momente in denen es nicht ganz so leicht fällt diese Aussagen umzudrehen, in denen sich nicht gleich Lebenslust in dir breit macht, weil es dir vielleicht schwerer fällt das „ich muss“ loszulassen. Ganz einfach, weil starke Glaubenssätze dahinter stehen. Denn die Glaubenssätze sind es am Ende, die dein „ich muss“ bestimmen. Doch weißt du was ich beobachtet habe mit den Aufgaben von denen man vermeintlich meint sie sofort tun zu müssen? Die Mail zu schicken? Die Wohnung zu putzen? Einkaufen zu gehen? Meist will ich sie in dem einen Moment nicht tun. Ich könnte dann dem Gedanken „ich muss“ folge leisten und meist würde ich dies dann mit Unlust tun. Genauso gut kann ich es in dem Moment auch lassen und das tun worauf ich wirklich Lust habe. Meist kommt dann nicht viel später die Lust, die ursprüngliche Aufgabe zu erledigen. Der Unterschied? In zweitem Fall hatte ich dann wirklich Lust sie zu tun. Hier ein Beispiel.

Tagelang hatte ich das Gefühl putzen zu müssen, doch ich hatte einfach keine Energie und Lust – kennst du bestimmt auch, oder? Also habe ich es nicht gemacht, habe nicht den Glaubenssatz „Ich muss eine immer saubere Wohnung haben“ folge geleistet sondern stattdessen einem anderen erlaubt mein Leben zu regieren: „Ich erlaube mur zu tun wozu ich Lust habe“. Und siehe da: gestern bekam ich die Lust dazu und putze alles mit einer Hingabe wie ich es tags zuvor nicht getan hätte. Ich drehte laut die Playlist an und legte los. Und in dem Moment machte es mir Spaß und verbreitete ein gutes Gefühl. Und ist es am Ende nicht das nach dem wir uns alle sehnen? Ein glückliches und erfülltes Leben zu führen? Und fängt dies nicht genau mit den kleinen Momenten an?

Ich will auch ehrlich mit dir sein. Im Privatleben gelingt mir das soweit schon ganz gut, schwerer wird der Arbeitsalltag. Denn da gibt es tagtäglich eine riesengroße Liste an „ich muss“ und oft auch nicht die zeitliche Freiheit, die man bei solchen Dingen wie putzen hat. Wie ich meine Erkenntnis hier umsetze weiß ich noch nicht, doch vielleicht muss ich das ja auch nicht. Vielleicht ist in dem Moment ein bisschen Stress und Druck gerade gut... mhh ich denke wir werden sehen. Berichten werde ich dir darüber auf jeden Fall. Das ist gewiss.

 Wenn du jetzt also das nächste „ich muss“ abhaken willst, dann denk daran:  

Von Herzen geschrieben,

Ronja