Hat Corona unsere innere Angst entfacht?

Frau im blauen Pulli, die im Tagebuch über ihre Angst schreibt

Heute ist so ein Tag, du kennst das bestimmt auch. Wenn alles einfach zu viel wird und du am Ende vom Arbeitstag nur noch für eine einzige Sache zu motivieren bist. Auf der Couch sitzen. Einkuscheln. Nichts tun. Heute ist so ein Tag für mich. Anstrengend war er sowieso schon, doch als ich nach der Arbeit nach Hause kam, trudelte noch eine Sache ein und die war, wie man so schön sagt, das i-Tüpfelchen.

 Natürlich hatte ich keine Lust auf so eine Stimmung, darauf so bäh zu sein und mich so unwohl zu fühlen. Doch tief im inneren weiß ich, dass meist eine Erkenntnis auf mich wartet in solchen Momenten (spoiler alert: genau deshalb sitze ich jetzt mit meinem Laptop, auf dem Sofa, eingekuschelt und in wesentlich besserer Stimmung). Natürlich kam die Erkenntnis auch dieses Mal zu mir. Wie so oft führte ein Gedanken zum anderen und zack war ich an einem Punkt an dem ich schon häufig war in den letzten Jahren: immer wieder hinterfrage ich ein und dieselbe Sache. Hinterfrage sie, durchdenke sie, zermartere meinen Kopf.

So saß ich also tief in meinem Gedanken versunken beim Abendessen, mein Herzensmann gegenüber doch keine Kapazität ihm groß meine Aufmerksamkeit zu schenken. Da war er dann plötzlich, der Gedanke:

”Ich habe Angst.“

 Es war einfach eine Feststellung. Ganz neutral. Na klar, ich habe Angst. Ich weiß nicht genau wieso, doch ich fing an aufzuzählen wo ich Angst spürte. Denn ich spürte sie, ganz genau. Ich kenne mich mittlerweile gut genug und ich weiß, wenn es Angst ist, die ich spüre. Sie zeigt sich mit Druck im Solar Plexus, oft auch im oberen Bauch. Ich fing also an gedanklich aufzuzählen und hörte einfach nicht mehr auf...eine Sache nach der anderen. Und man oh man, hatte ich vor vielen Sachen Angst...auch jetzt davor, dass zuzugeben.

 

Vielleicht übertreibe ich in der Stimmung, in der ich gerade bin, das mag sein, morgen sieht alles vielleicht schon wieder anders aus. Doch es kommt mir vor als hätte ich ohne es zu merken, der Angst das Steuer in die Hand gedrückt, als hätte ich sie entscheiden lassen. In allen Lebensbereichen.

  

Hat Corona unsere Angst entfacht?

Weißt du was ich denke? Ich glaube, dass könnte ein Nebeneffekt sein von dem aktuellen Weltgeschehen. Denn natürlich befinden wir uns alle irgendwie in Angst. Corona ist allgegenwärtig und mit dem Virus die Angst davor ihn zu bekommen. Die Angst, dass unsere Liebsten den Virus bekommen. Finanzielle Angst. Existenzangst. Die Angst davor die öffentlichen Verkehrsmittel zu nehmen. Die Liste ist ewig lang.

Kann es denn sein, dass durch diese verständlichen Ängste plötzlich auch ganz andere Ängste in uns aktiviert worden sind? Macht es nicht Sinn, dass sich die Angst in uns ausbreitet wie sie es vorher nicht tat?

 

Ich habe definitiv mehr Ängste, bin vorsichtiger geworden wo ich es sonst nie war. Schon alleine das sofortige Hände waschen am Zielpunkt nachdem ich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren bin. Das habe ich früher nicht gemacht (hätte ich vielleicht).

 

Angst.

Die Angst vor so vielen verschiedenen Dingen.

Habe ich sie wirklich entscheiden lassen? Habe ich meine Ängste an das Steuer meines Lebens gesetzt?

 

So schwer mir die Antwort fällt, ja, ich denke schon. Ich habe ihr ein bisschen mehr Entscheidungsmacht gegeben als mir lieb ist ...Geht es dir vielleicht genauso? Hast du ähnliches in deinem Verhalten bemerkt?

 

Du kannst entscheiden ob du der Angst das Steuer überlässt

Die Angst ist etwas Gutes, das möchte ich betonen. Wir haben nichts davon sie wegzudrängen. Sie ist unser Beschützer. Sie will uns helfen. Vor Unheil bewahren. Das ist ihre Funktion, das war sie immer. Die Sache ist nur die: in der heutigen Zeit sind wir nicht mehr permanent lebensbedrohlichen Situationen ausgesetzt. Unser Leben ist nicht mehr permanent bedroht. Doch diese Urreaktion, sie ist nach wie vor in uns und sie reagiert. Doch ebenso wie die Angst diese Macht hat, haben wir auch die Macht zu hinterfragen ob wir in diesem Moment wirklich mit ihr gehen wollen.

Ja, das Hände waschen nach den öffentlichen Verkehrsmitteln macht Sinn.

Und ja, es macht auch Sinn gerade vorsichtig zu sein. Corona braucht keiner, das weiß ich aus eigener Erfahrung.

Ja, es ist auch sinnvoll, beim Überqueren der Straße nach links und rechts zu schauen.

 

Doch macht es wirklich Sinn sich davon abzuhalten Dinge zu tun, Projekte umzusetzen und Träume zu verwirklichen aus Angst davor was anderen von unserem Tun halten werden? Oder macht es wirklich Sinn die Angst etwas falsches zu tun dich davon abhalten zu lassen in sich selbst zu vertrauen? Oder macht es Sinn dein Leben nicht nach deinen Ansprüchen zu leben aus Angst davor, dass andere dich und deinen Lebensstil nicht verstehen könnten?

Nein, ich denke das macht keinen Sinn.

 

Und so dürfen wir unsere Ängste wahrnehmen. Sie spüren. Sie an der Hand nehmen, nicht wegdrängen. Ihnen zu hören und ihnen erklären warum wir entgegen ihres Rates gehen.

Ich denke unsere Angst, sie wird es verstehen.

 

Von Herzen geschrieben,

Ronja

Frau schreibt im Tagebuch über Corona und ihre Angst
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